Muss ich wirklich überall mitmachen?
Ein Gedanke über alte Netzwerke, neue Oberflächen und den Widerspruch, digital zu leben – und trotzdem echt zu bleiben.
Content Note:
Dieser Text handelt von digitalen Wurzeln, Überforderung und Ehrlichkeit.
Von jemandem, der das Internet schon kannte, bevor Likes zu Währungen wurden –
und der heute beruflich genau das System versteht, das er manchmal hinterfragt.
Die Szene
Ich komme aus einer Zeit,
in der „online sein“ bedeutete,
dass das Modem klackerte und der Bildschirm flackerte.
Ich war bei ICQ – „Oh-oh“ war Musik.
Ich war auf SchülerVZ, StudiVZ, meinVZ,
bei Knuddels, MSN Messenger,
und später natürlich Facebook,
als es noch um Menschen ging,
nicht um Marketing.
Damals schrieb man Nachrichten.
Heute schreibt man Strategien.
Damals wollte man sich verbinden.
Heute will man Reichweite.
Und irgendwo dazwischen
bin ich älter geworden.
Warum ich das schreibe
Weil ich mich oft zwischen zwei Welten bewege.
Auf der einen Seite bin ich
Fachinformatiker für Anwendungsentwicklung in Ausbildung –
jemand, der versteht, wie digitale Systeme funktionieren,
wie Algorithmen denken,
wie Reichweite berechnet wird.
Ich mag Code,
ich liebe Logik,
ich sehe Schönheit in sauberer Struktur.
Aber auf der anderen Seite
bin ich auch einfach ein Mensch,
der sich manchmal fragt,
ob wir das alles noch für uns tun
oder nur für die Maschine,
die mitzählt.
Einsicht 1 – Ich kenne das Netz von früher
Ich war da,
bevor es laut wurde.
Als man noch warten musste,
bis jemand „online“ ging.
Das Internet war langsamer,
aber ehrlicher.
Man war nicht ständig sichtbar,
und genau das machte Begegnungen echt.
Heute ist man immer da –
und gleichzeitig nirgendwo.
Einsicht 2 – Ich programmiere Systeme, aber ich will sie nicht werden
Ich weiß, wie man Websites baut,
wie man Klicks misst,
wie man Daten verarbeitet.
Das ist mein Beruf,
meine Leidenschaft,
mein Werkzeug.
Aber ich will nicht,
dass diese Logik mein Leben bestimmt.
Ich kann Code schreiben,
ohne mich selbst zu automatisieren.
Ich darf verstehen, wie Systeme ticken –
und mich trotzdem weigern,
nach ihren Regeln zu fühlen.
Einsicht 3 – Echtheit braucht keinen Algorithmus
Ich mag Technologie.
Aber ich mag Menschen mehr.
Ich glaube, wir haben vergessen,
dass Technik Mittel ist, nicht Ziel.
Echtheit ist kein Datensatz.
Sie ist das, was bleibt,
wenn du kurz nicht online bist.
Und vielleicht braucht die Zukunft
nicht noch eine Plattform,
sondern ein bisschen mehr Menschlichkeit
im Code.
Sanfte Einladung
Du darfst Technik lieben
und trotzdem an Stille glauben.
Du darfst entwickeln,
ohne dich selbst zu verlieren.
Mach mit, wo du willst –
nicht, weil du musst,
sondern, weil du kannst.
Und manchmal ist „Offline“
kein Rückzug,
sondern Erinnerung daran,
wer du warst,
bevor du dich einloggen musstest.
Fußnote an mich selbst
Ich schreibe Code.
Ich schreibe Texte.
Beides sind Sprachen –
eine für Maschinen,
eine für Menschen.
Und wenn ich dazwischen sitze,
dann genau dort,
wo ich hingehöre.


