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Schöne Lügen – und was Social Media wirklich verkauft


Es beginnt nicht mit einem Klick.
Es beginnt mit einem Gefühl.

Dem kleinen Stich, wenn du dein Handy entsperrst
und da oben diese rote Zahl siehst: 2 neue Nachrichten, 14 neue Likes.
Es fühlt sich an wie Zuneigung –
aber es ist nur Code.
Nur ein psychologischer Trick, geboren in Silicon Valley
und perfektioniert, um dich abhängig zu machen.


Das Labor der Emotionen

TikTok, Instagram, OnlyFans, Threads –
sie alle funktionieren nach derselben Formel:
Erregung + Bestätigung + Belohnung = Bindung.

Jeder Swipe ist ein Experiment.
Jeder Algorithmus testet:
Worauf reagierst du schneller – Wut, Lust oder Mitleid?
Und wie lange bleibst du dabei,
wenn man dir beides gleichzeitig zeigt?

Diese Plattformen sind keine neutralen Bühnen.
Sie sind psychologische Hochsicherheitslabore,
in denen Milliarden Menschen zu Versuchspersonen werden.
Das Ziel ist simpel:
deine Aufmerksamkeit so lange wie möglich festhalten,
weil sie sich verkaufen lässt – an Werbekunden, Politiker, Pornoseiten, Marken,
die alle wissen: Wenn du fühlst, kaufst du.
Wenn du zweifelst, klickst du.
Wenn du dich vergleichst, bleibst du.


Die Frauen, die das System verstanden haben

Manche haben es erkannt.
Sie spielen mit.
Frauen, die gelernt haben, dass der Algorithmus
nicht Schönheit belohnt, sondern Reizbarkeit.

Die TikTok-Tänze, die tiefen Ausschnitte,
das Duckface, die halbe Sekunde zu viel Blickkontakt in die Kamera –
alles kalkuliert, alles codiert auf Klicks.

OnlyFans boomt nicht, weil Männer plötzlich ehrlicher wären,
sondern weil Frauen verstanden haben,
dass der kürzeste Weg zur finanziellen Freiheit
durch das Begehren führt.

Das ist kein Vorwurf.
Das ist ein Systemfehler.

Denn der Körper einer Frau wird zur Währung,
weil der Markt für Echtheit längst tot ist.
Je weniger Kleidung, desto mehr Reichweite –
das ist kein Zufall, sondern Teil des Designs.
Facebook testete 2015 bereits,
welche Hauttöne die Aufmerksamkeit länger halten.
Heute misst TikTok deine Pupillenerweiterung,
um zu wissen, was dich „emotional anspricht“.

Das ist kein Zufall. Das ist Architektur.


Die Männer, die glauben, Kontrolle zu haben

Und auf der anderen Seite:
Männer, die sich stark fühlen, weil sie zahlen können.
Weil sie auf „Abonnieren“ klicken
und glauben, das sei Macht.

Aber das System hat sie längst entmachtet.
Sie bezahlen für Nähe,
die nie Nähe war.
Für Macht, die nie echt war.
Für Aufmerksamkeit,
die in Wirklichkeit von ihnen genommen wird –
nicht ihnen gehört.

Diese Männer posten Selfies im Gym,
reden von „Alpha Energy“,
verkaufen Kurse, wie man Frauen „richtig behandelt“.
Aber sie sind genauso abhängig wie die,
über die sie spotten.

Steroidgestählte Körper mit gebrochenen Seelen,
Macker mit Mikrofonen,
die Stärke predigen,
weil sie nie gelernt haben,
Verletzlichkeit zu überleben.

Das Internet liebt sie,
weil Wut Engagement schafft.
Je lauter sie schreien, desto mehr Reichweite.
Und Reichweite bedeutet Macht –
egal, wie leer sie klingt.


Der Algorithmus liebt Extreme

Zwischen dem weinenden Mädchen,
das sagt, niemand liebt sie,
und dem Typen, der mit Zigarre über „echte Männer“ redet,
liegt keine moralische Grenze –
nur ein Rechenmodell.

Beide bedienen dieselbe Ökonomie:
Empörung. Erregung. Polarisierung.

Je mehr du dich aufregst,
desto länger bleibst du dran.
Je länger du dran bleibst,
desto mehr Daten sammelst du.
Je mehr Daten du bist,
desto wertvoller wirst du –
nicht als Mensch, sondern als Produkt.

Das ist der Deal:
Du gibst deine Emotionen,
sie geben dir Illusionen.


Die neue Werbung trägt Gesichter

Influencer-Werbung funktioniert besser als jede Plakatwand,
weil sie Vertrauen simuliert.
„Ich würde euch das nie empfehlen, wenn ich nicht selbst überzeugt wäre“,
sagen sie – und vergessen zu erwähnen,
dass der Link unter dem Video 20 Prozent Provision bringt.

Kauf dies, damit du dich schön fühlst.
Trag das, damit du dazugehörst.
Mach jenes, damit du nicht zurückbleibst.

Die Plattform verdient mit,
der Creator verdient mit,
und du bezahlst – mit Geld oder mit Geist.

Denn während du glaubst, „bewusst zu konsumieren“,
entscheidet längst ein Algorithmus,
was du für schön, klug oder begehrenswert hältst.


Der neue Narziss

Früher ertrank Narziss im eigenen Spiegelbild.
Heute ertrinken wir im Feed.

Wir liken Schmerz,
teilen Filter,
reden über Authentizität,
aber zeigen nur die Seiten,
die im Portraitmodus funktionieren.

Es gibt keine Trennung mehr
zwischen „Ich“ und „Profil“.
Nur noch Varianten desselben Traums:
gesehen zu werden.

Und während wir uns gegenseitig anstarren,
verlernen wir, wirklich hinzusehen.


Fußnote an mich selbst

Ich bin nicht besser.
Ich poste. Ich scrolle. Ich vergleiche.
Aber manchmal, spät nachts,
wenn der Bildschirm dunkel wird,
frage ich mich,
wie viele Gedanken ich heute hatte,
die wirklich mir gehörten.

Vielleicht ist das das Ehrlichste,
was man online noch sagen kann:

Ich weiß, dass ich benutzt werde.
Aber wenigstens merke ich es.

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