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Shoppen für die innere Leere

Eine Geschichte über Sehnsucht, Selbstoptimierung und die stille Angst, nicht genug zu sein.

Content Note:
Dieser Text spricht über emotionalen Konsum, Selbstzweifel und den Versuch, innere Leere durch äußere Dinge zu stillen.
Er richtet sich an alle, die schon einmal etwas gekauft haben – nicht, weil sie es brauchten, sondern weil sie sich selbst kurz vergessen wollten.


Die Szene

23 Uhr.
TikTok.
Eine Hand packt Tüten aus, die Stimme klingt euphorisch:
„Mädels, rennt sofort los – das ist ein Must-Have!“

Draußen ist es still, drinnen flackert das Displaylicht.
Eine weitere Nacht, in der aus Ablenkung wieder Einwirkung wird.

Ein Klick. Ein Kauf.
Und irgendwo tief im Innern das Gefühl,
dass man mit jedem Produkt
vielleicht ein Stück Unsicherheit mitbestellt.


Der Gedanke

Man kauft heute nicht mehr, um zu haben.
Man kauft, um zu fühlen.

Um kurz das Gefühl zu haben, dazuzugehören.
Schöner zu werden. Reicher an Kontrolle.
Leerer an Fragen.

Und weil Social Media dafür sorgt,
dass Schönheit messbar, Erfolg sichtbar
und Glück scheinbar bestellbar geworden ist,
glauben wir,
dass das richtige Serum,
die richtige Tasche,
die richtige Version von uns selbst
nur einen Kauf entfernt ist.


Anna

Sie sagt:
„Ich weiß, dass die Influencerinnen nicht so aussehen wegen der Produkte.
Aber wenn ich sie sehe, denke ich: Vielleicht ich ja doch.“

In ihrem Zimmer stapeln sich Cremes, Seren, Fläschchen.
Ungeöffnet.
Jedes ein stiller Versuch,
etwas zu reparieren,
das gar nicht kaputt war –
nur unbeachtet.

Sie nennt es Selbstfürsorge.
Aber tief drinnen ist es Selbstzweifel
in Hochglanzverpackung.


Lena

Lena kauft, wenn sie sich klein fühlt.
Wenn Kolleg:innen sie kritisieren.
Wenn sie sich übergangen,
oder einfach müde fühlt.

Dann geht sie in einen Laden,
nimmt etwas in die Hand,
spürt das Knistern der Tüte –
und für einen Moment
ist alles gut.

Nicht, weil sie etwas braucht.
Sondern, weil sie wieder fühlt.

Konsum als Pause vom eigenen Kopf.
Ein Pflaster aus Papiertüten.


Das System

Wir leben in einer Welt,
die Leere verkauft,
und dann gleich das Mittel dagegen.

Erst kommt der Algorithmus,
dann die Werbung,
dann das schlechte Gewissen,
dann der Kauf.

Es ist ein Kreislauf,
der sich selbst ernährt.

Und während wir glauben,
uns zu „belohnen“,
füttern wir nur das Gefühl,
nicht genug zu sein.


Warum ich das schreibe

Weil kaum jemand laut sagt,
dass viele „Luxusprobleme“
eigentlich Hilferufe sind.

Weil Menschen wie Anna und Lena
nicht oberflächlich sind –
sondern verletzlich.

Weil hinter jeder Bestellung,
hinter jedem „Ich gönn mir was“,
oft eine leise Stimme steckt,
die flüstert:
„Siehst du mich jetzt?“


Sanfte Einladung

Vielleicht ist die echte Revolution
nicht, weniger zu kaufen –
sondern mehr zu fühlen.

Zu merken, wann der Drang kommt.
Zu fragen, was fehlt – nicht, was neu ist.
Und sich zu erlauben,
Leere einfach Leere sein zu lassen,
ohne sie zu füllen.

Denn manchmal heilt nicht das,
was du kaufst –
sondern das, was du endlich zulässt.

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