Wenn Nettigkeit laut ist – und Respekt leise bleibt
Manche Menschen klingen freundlich.
Sie lächeln, sie fragen, sie geben Tipps.
Und trotzdem fühlt sich etwas in dir seltsam eng an, wenn sie reden.
Nicht, weil du empfindlich bist. Sondern weil sie dich nicht wirklich meinen.
Es gibt diese Art von Nettigkeit, die sich anfühlt wie eine sanfte Umarmung mit verstecktem Griff.
„Ich will dir doch nur helfen.“
„Ich meine es doch nur gut.“
Doch hinter dem Satz steht oft etwas anderes:
Ich weiß es besser als du.
Respekt dagegen ist leise.
Er muss nichts beweisen.
Er hört zu, ohne den Satz zu beenden.
Er traut dir etwas zu, auch wenn du gerade schwankst.
Er gibt Raum, wo andere drängen.
Manchmal erkennst du ihn erst, wenn du ihn lange nicht gespürt hast.
Wenn du dich wunderst, warum du dich nach Gesprächen erschöpft fühlst.
Warum du dich erklären musst, obwohl du gar nicht darum gebeten hast.
Warum jemand dich ständig unterbricht, aus „Begeisterung“.
Respekt redet nicht über dich.
Er redet mit dir.
Er entschuldigt sich nicht fünfmal, sondern verändert sich beim nächsten Mal.
Er lobt dich nicht für Selbstverständlichkeiten, sondern steht einfach neben dir, wenn du fällst.
Ich glaube, wir leben in einer Zeit, in der Nettigkeit oft zu laut geworden ist.
Ein Dauerlächeln. Ein ständiges „Wie geht’s?“, ohne dass jemand die Antwort hören will.
Wir verwechseln gutes Benehmen mit Nähe – und vergessen dabei, dass echter Respekt still ist.
Vielleicht ist das die Kunst:
Nicht immer „nett“ zu sein.
Sondern ehrlich.
Ehrlich genug, zuzuhören.
Ehrlich genug, Raum zu lassen.
Ehrlich genug, nicht alles wissen zu wollen.
Denn wer dich wirklich respektiert,
spricht nicht über dich,
sondern bleibt still genug,
dich selbst sprechen zu lassen.
Einatmen. Schreiben. Weiter.

